Der Kudzu - quo vadis? (2024)

Originalartikel:

Rimle, A., Moretti, G., Bomio-Pacciorini. N. (2019): Kudzu – quo vadis? Bündner Wald 72: 44-49.

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23.08.2021

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Der Kudzu - quo vadis? (1)

Kudzu (Pueraria lobata) ist eine aus Asien stammende invasive Liane, die sich durch ein extrem schnelles Wachstum auszeichnet. Dank einer effektiven mechanischen Bekämpfung (Schnitt unterhalb des Wurzelhalses) und mit regelmässigen Kontrollen kann man die Pflanze aber in Schach halten.

Der Kudzu - quo vadis? (2)

Im Tessin verbreitet sich Kudzu (auch Kudzu-Bohne oder Kopouwurzel) zunehmend, vor allem um den Luganersee und den Lago Maggiore. Die Pflanze besiedelt Gärten, Strassenböschungen und Seeufer. Wo sie auftritt, erstickt sie ganze Bäume. Ihr Vorhandensein hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Unterhaltungskosten der Infrastruktur, die Artenvielfalt und die Schutzfunktion des Waldes. Dank einer spezifischen und effektiven mechanischen Bekämpfung (Schneiden unterhalb des Wurzelhalses) und regelmässiger Kontrollen kann die Pflanze eliminiert werden. Ein sehr frühes Eingreifen erhöht die Erfolgsquote.

Artbeschreibung

Kudzu (Pueraria lobata) ist eine mehrjährige Kletterliane mit dreilappigen Blättern aus der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae), ist in Südostasien beheimatet und zeichnet sich durch ein extrem schnelles Wachstum aus: bis zu 26 cm pro Tag und 20 m pro Jahr! Kudzu bildet ein vernetztes System von vertikalen und horizontalen Lianen. Aus den Wurzelknoten der horizontalen Lianen können sich unterirdische Knollen entwickeln, die einen Vorrat an Nährstoffen und Wasser bilden und beachtliche Volumina und Gewichte von bis zu 180 kg erreichen. Die Knoten können sich von der Mutterpflanze abtrennen und neue autonome Individuen entwickeln (generative Reproduktion ähnlich wie bei Erdbeeren). Bei vertikalem Wachstum und direkter Sonneneinstrahlung bildet Kudzu violette Blüten in Büscheln, aus denen sich dunkelbraune Schoten mit je 3–10 Samen entwickeln (reife Samen sind durch ihre dunklere Farbe von unreifen zu unterscheiden). Aufgrund der hohen Keimungsrate der Samen von etwa 75% und der Fähigkeit, mehrere Jahre zu überleben, ist die Bildung einer Samenbank im Boden sehr wahrscheinlich.

Geschichte und Verbreitung

Historisch gesehen findet Pueraria lobata traditionell Verwendung in der chinesischen Küche und als Medizin gegen verschiedene Krankheiten. Das invasive Potenzial der Pflanze wurde weitgehend unterschätzt; tatsächlich wurde Kudzu in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts im Südosten der USA grossflächig angebaut, sowohl als Erosionsschutz auf landwirtschaftlichen Feldern, die durch die intensive Baumwollproduktion ausgelaugt waren, als auch als Futter für das Vieh.

Verbreitung in der Schweiz

In der Schweiz ist Kudzu derzeit nur auf der Alpensüdseite zu finden. Der erste Bericht aus dem Tessin stammt aus dem Jahr 1956. Zahlreiche Monitoring-Aktivitäten seit 2006 zeigen eine Zunahme sowohl in der Anzahl als auch der betroffenen Fläche: von 21 (15290m2) im Jahr 2006 auf 55 (43000m2) im Jahr 2018 und mehr als 60 Flächen im Jahr 2020 (von der kantonalen Forstsektion erhobene Daten). Alle Ausbrüche werden in einer kantonalen Datenbank erfasst, die periodisch aktualisiert wird und Informationen über den Ort, das Vorhandensein von Saatgut und den Status der Bekämpfungsmassnahmen liefert. 30 registrierte Ausbrüche betreffen Waldgebiete. 12 davon produzieren Samen und 14 sind grösser als 1000m2. In den letzten 12 Jahren haben sich sowohl die Anzahl der Ausbrüche als auch die belegte Gesamtfläche mehr als verdoppelt und die Fläche der einzelnen Ausbrüche hat um durchschnittlich 68 Prozent zugenommen. Fünf Ausbrüche wurden inzwischen vollständig eliminiert.

Die meisten Ausbrüche von Kudzu konzentrieren sich um den Luganersee und den Lago Maggiore, wo die klimatischen Bedingungen günstig sind (heisse Sommer und milde Winter). Das Auftreten in peripheren Gebieten wie dem Onsernone-Tal und der unteren Leventina ist dagegen wahrscheinlich auf die illegale Entsorgung von Pflanzenabfällen zurückzuführen.

Folgen für die Umwelt

Das warme Klima und das Fehlen von Antagonisten (phytophagen Insekten und Krankheitserregern) begünstigen die Ausbreitung der Pflanze. So sind in den USA in etwas mehr als 60 Jahren mehr als 3 Millionen Hektar mit einem Zuwachs von 50 000 Hektar pro Jahr besiedelt worden. Die wirtschaftlichen Schäden belaufen sich auf mindestens 500000$ pro Jahr.

Auch in unseren Breiten dominieren die unerwünschten Wirkungen von Pueraria lobata. Als Kletterpflanze ist sie in der Lage, jede vertikale Stütze (Bäume, Mauern, Strassenlaternen) auszunutzen, um ihren Aktionsradius zu erweitern. Als dichte, lichtundurchlässige Decke erstickt sie alle Pflanzenarten darunter. Aufgrund dieser Eigenschaften ist Kudzu heute in der Liste der hundert schlimmsten invasiven gebietsfremden Arten der Welt aufgeführt und steht auf der Schwarzen Liste der invasiven Arten (Info Flora 2013). Pueraria lobata verursacht nicht nur hohe Unterhaltskosten für Infrastruktur und Freiflächen (z. B. landwirtschaftliche Felder, Strassenböschungen und Gärten), sondern schadet auch der Artenvielfalt. In Wäldern führt Kudzu zum Absterben von Bäumen, auf die er klettert, und behindert als dichter Linanenteppich die natürliche Verjüngung. In Schutzwäldern ist das Vorkommen von Kudzu sehr besorgniserregend, da die Liane keine Schutzwirkung gegen Erdrutsche, Steinschlag oder Lawinen hat. Zu beachten ist auch, dass im Winter aufgrund der grossen Menge brennbaren Materials (trockene Lianen) zwischen Boden und Baumkronen eine erhöhte Brandgefahr besteht.

Bekämpfungsmethoden

Dank langjährigen Versuchen konnten die besten mechanischen und chemischen Bekämpfungsmethoden ermittelt werden. Die mechanische Bekämpfung ist der chemischen vorzuziehen, da sie nicht durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt ist und keine negativen Nebenwirkungen auf die Umwelt hat.

Die mechanische Bekämpfung erfolgt durch den sogenannten "Kragenschnitt", der darin besteht, das Wurzelsystem von der oberirdischen Liane einige Zentimeter unterhalb des Kragens (des Hauptwurzelknotens, der die vegetativen Knospen enthält und neue Triebe bilden kann) zu trennen. Die vertikal wachsenden Lianen werden in der Regel in einer Höhe von etwa einem Meter über dem Boden geschnitten, so dass sie austrocknen, weil sie keinen Kontakt mehr zum Boden haben. Aus den neuesten Erfahrungen im Feld empfiehlt sich, im ersten Jahr der Intervention bis im Mai den Kragenschnitt zu machen, gefolgt von mindestens zwei Kontrollen im Juli und September mit der Beseitigung aller Triebe. Bei dichtem Unterwuchs ist es ratsam, den Boden im Winter vorher zu säubern, um so Kudzu-Keimlinge besser zu erkennen. Geschnittene Lianen können geordnet und an Ort und Stelle getrocknet werden –aber nur, wenn ein direkter Kontakt mit dem Boden vermieden wird. Ansonsten muss das Material in einer Müllverbrennungsanlage entsorgt werden. Die Entsorgung auf Mülldeponien ist verboten, da dort die Gefahr einer Ausbreitung sehr hoch ist. Eine regelmässige Kontrolle der behandelten Fläche in den Folgejahren (zweimal jährlich zu Beginn und Ende des Sommers) ist unerlässlich, um das Ziel der vollständigen Beseitigung der Pflanze zu erreichen.

Die chemische Bekämpfung ist auf zwei Arten möglich: durch Auftragen eines zugelassenen Produkts auf Triclopyr-Basis (Endkonzentration 2 %) im August auf die Blätter der drei Wochen zuvor geschnittenen Triebe der Pflanze oder durch direktes Aufstreichen des gerade geschnittenen Teils der Liane. So wird das Herbizid gezielt und in sehr kleinen Mengen aufgetragen.

Die Wirksamkeit beider Methoden (mechanisch und chemisch) ist bemerkenswert. In beiden Fällen wird die Anzahl der Knoten sofort drastisch oder sogar auf null reduziert (Chemie). Bereits ab dem zweiten Jahr der Intervention nimmt der Zeitaufwand für die Kontrolle und die regelmässigen Überprüfungen rapide ab. Um die Wirksamkeit der Bekämpfung zu überwachen, wird jeder Eingriff detailliert in einem Kontrollformular festgehalten (Zeiten, Methoden, Zeiträume und beseitigte Mengen).

Massnahmen zur vollständigen Beseitigung

Im Tessin hat Kudzu die Ansiedelungsphase hinter sich und befindet sich nun in der Expansionsphase. Es ist sinnvoll, Massnahmen zur vollständigen Beseitigung der Pflanze zu treffen, bevor die Situation unkontrolliert wird und die Kosten für die Bekämpfung explodieren. Im Jahr 2018 führte der Kantonsforstdienst ein Testprojekt auf 14 Flächen unterschiedlicher Grösse und Art durch, um die Bekämpfungskosten zu quantifizieren. Ein kantonsweites Projekt für den Zeitraum 2019–2023 wird nun umgesetzt.

Schwierigkeiten

Je nach Ort des Ausbruchs können die Organisation der Arbeiten und Kontrollmassnahmen sehr komplex sein. Eingriffe an überhängenden Felsen, entlang von Wasserläufen, Strassenmauern und Seeufern erfordern besondere Sicherheitsmassnahmen und Mittel (Seilarbeiten, Regelung des Verkehrs oder Einsatz von Lastkähnen). Illegal abgelagertes Pflanzenmaterial im Wald oder an Strassenböschungen behindert die effektive Suche nach Wurzelknoten und muss daher zu Beginn der Arbeiten entfernt werden (Mehrkosten). Darüber hinaus werden grosse, von Kudzu befreite Flächen oft leicht von anderen invasiven Neophyten wie Götterbaum (Ailanthus altissima), Amerikanische Kermesbeere (Phytolacca americana), Sommerflieder (Buddleja davidii) oder Staudenknöterich (Reynoutria japonica) besiedelt. Daher ist es wichtig, diese Neophyten aktiv zu managen und sofort durch Aussaat oder Anpflanzung für einheimischen Arten zu sorgen.

Achtung: Bei der Bekämpfung dieser Art ist eine sorgfältige Reinigung der Fahrzeuge und Arbeitsgeräte unbedingt notwendig, da ansonsten anhaftende Pflanzenteile verschleppt werden und ggf. neu austreiben könnten.

Fazit

Pueraria lobata ist ein invasiver Neophyt mit erheblichen negativen Auswirkungen auf unsere Umwelt und insbesondere auf den Schutzwald. Dank effektiver und praktikabler Bekämpfungsmethoden ist die Ausrottung des Kudzu im Tessin noch möglich, ist aber sofort und mit allen Kräften zu verfolgen, damit sich diese Pflanze nicht weiter ausbreiten kann. Das Ziel der Ausrottung sollte nicht nur für Kudzu auf kantonaler Ebene gelten, sondern lokal für all jene invasiven Neophyten, die noch nicht weit verbreitet sind.

Die Kantonale Arbeitsgruppe für invasive gebietsfremde Organismen (AG OAI) ist dankbar für jede Meldung von Ausbrüchen über www.ti.ch/neobiota.

Eine ausführliche Literaturliste zum Thema entnehmen Sie bitte dem Originalartikel.

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